Sarkasmus?
Ich gönne plenty ja den Bereich Marktplätze. Wobei sie selbst da über die Jahre nachgelassen haben. Ansonsten drehen andere doch längst Runden um plenty.
Automatisierung
Da war plenty früh weit vorn. Man kann sich insbesondere über die Wartbarkeit bei den Prozessen streiten. Aber es ist vielleicht das mächtigste Tool im plenty-Köcher.
Was macht plenty? Jahrelang nix.
Prozesse gammelten vor sich hin. Und statt sanft Verbesserungen vorzunehmen, wird mal wieder alles neu gemacht. Migration zu Flow (das ja auch Ereignisse und zeitgesteuerte Aktionen ablösen soll)? Mach’s dir selber!
Fun fact: Ich habe etliche Händler erlebt, die einen großen Bogen um die Automatisierungen gemacht haben. Die Angst davor hat dafür gesorgt, dass sie einen großen Effizienzhebel nicht ziehen konnten.
CRM
Darf man das so nennen? Man merkt bis heute, dass sich jemand ein Denkmal setzen wollte. Bis heute ist der Bereich maximal halbfertig und gleichzeitig übermäßig kompliziert.
Ich freue mich auch jedes Mal, wenn ich in einer Liste mit Kontakten an der falschen Stelle klicke und dann erst nach einiger Zeit der Verwunderung feststellen muss, dass ich in dem blöden „Firma“ Bereich gelandet bin.
Ansonsten gibt es hier nichts zu sehen. Man kann ja nicht mal Datensätze gescheit zusammenführen.
ERP, Auftragsverwaltung, Versand, Wawi
Den Themenbereich ziehe ich mal zusammen.
Positiv: Es funktioniert (meistens). In Verbindung mit Prozessen und Ereignissen ist sogar ein weitgehend reibungsloses Arbeiten möglich; zumindest solange man nicht etwas „Besonderes“ machen muss.
Leider hat plenty bis heute nicht verstanden, dass es zwei grundlegend verschiedene Flüsse gibt. Auf der einen Seite sind das die Waren (und Dienstleistungen), auf der anderen Seite Geld. Statt das sauber abzubilden, wird an den Aufträgen und deren Derivate alles in einen Topf geschmissen und verquirlt. Vom Bereich „Zahlung“ will ich gar nicht erst anfangen. Den nutzt plenty ja selbst nicht durchgängig. (Gruß an die Amazon-Marketplace-Aufträge!)
Wehe dem, der daran denken sollte, Aufträge „gruppieren“ zu wollen. Falscher Begriff übrigens. Aus mehreren Aufträgen wird ein neuer generiert. Echtes Gruppieren würde wohl weniger Kopfschmerzen bereiten und deutet zudem eine komplett reversible Funktion an – was hier gar nicht gegeben ist.
Oder aufteilen (nicht Lieferaufträge). Oder sauber eine Gutschrift mit anteiliger Erstattung der Versandkosten.
Apropos. Ein Quell von Bedienungsfehlern tut sich da überall auf. Die Status lassen sich bis heute nicht auf einen Auftragstyp einschränken. Und schwupps hat ein normaler Auftrag den Status einer Gutschrift.
Von Versandkosten, die sauber anteilig nach Mehrwertsteuersatz der Waren aufgeteilt werden, will ich gar nicht erst anfangen.
Über Versandprofile verliere ich jetzt lieber auch kein Wort.
Ticketsystem
Ach, komm. Das sollte jeder hier inzwischen mitbekommen haben. Man ignoriert es besser.
Import / Export
Endlose Tage und schlaflose Nächte! Ja, mein Ernst. Wie viel Zeit ich schon für Im- und Exports von und nach plenty aufgewendet habe!
Das Schlimmste: Man kann sich nicht darauf verlassen. Selbst wenn die Daten erst mal stimmig aussehen oder es scheint, dass ein Import läuft. Und Fehler fallen erst dann auf, wenn es zu spät ist.
Wie lang war noch mal der Bestandsexport per Katalog kaputt? Über 2 Jahre? (Hat nur die Bestände des „ersten“ Lagerorts exportiert und die weiteren schlicht weggelassen.)
In manchen Bereichen ist der olle „Dynamische Export“ immer noch der beste. (Ein Gruß geht an die Artikelbilder!)
Und dann gibt es immer noch Dinge, die man nicht importieren oder exportieren kann. API hilf!
Kurzer Schwenk zu Odoo: Ich kann jede(!) Liste von Datensätzen, die ich sehe mit zwei Mausklicks genau so exportieren, wie ich sie sehe. Möchte ich es anders, geht da natürlich auch (mit speicherbaren Vorlagen).
Artikeldaten
Ich lasse plenty, dass es in keiner Software, die ich bisher produktiv einsetzen durfte, eine Lösung dafür gibt, die ich mit „sehr gut“ bewertet hätte. Mit Version 7 haben sie immerhin versucht, alles fit für Varianten zu machen. Meiner Meinung nach haben sie das aber nie fertiggestellt. Und daher lebt man als plenty-Händler bis heute mit Frankensteins Monster der Produktdatenverwaltung.
Über die neue UI lässt sich noch mal ein eigenes Kapitel verfassen. Gekonnt so gebaut, dass sie langsamer ist UND umständlicher zu bedienen. (Und Änderungen erst mit mehreren Minuten Verzögerung sichtbar werden.)
Kurzer Schwenk zu Odoo: Auch dort halte ich die Produktverwaltung für verbesserungswürdig. Aber das betrifft andere Stellen als bei plenty. UVP auf Basis von Varianten lässt sich in Odoo nur über einen kleinen Umweg abbilden. Das haben wir bei uns intern besprochen und ziehen so tatsächlich noch einen Vorteil daraus, weil Preislisten in Odoo ein wirklich nützliches Tool sind.
Shop
Was haben wir uns alle gefreut! Endlich darf man mal wieder den Shop von grundauf neu machen – und das auf einer technisch eher fluiden Basis. Toll!
Ich habe die Anfänge von Callisto mitgemacht (und damals schon zu Tode optimiert – inklusive einer Suche, die auch Kategorien einschloss). Dann kam ein Callisto-Ceres-Hybrid (zu dem ich ein How-to verfasst habe, das plenty 1:1 ins Handbuch übernommen hat). Es folgte ein Ausflug zu Shopware 5 (das in Sachen Entwicklung von Erweiterungen ein Augenöffner war). Und zurück zu plenty mit Ceres 3 oder 4. (Sorry, weiß ich nicht mehr so genau.) Im Lauf der Zeit habe ich dann auch das noch zu Tode optimiert und einige Plugins geschrieben.
Und jetzt „PWA“. Meine Meinung: kommt zu spät und bringt zu wenig. Der Punkt ist allerdings: Es gibt mal wieder keinerlei Migration. Man darf schon wieder bei Null anfangen.
Buchhaltung
Ja, Pech. Gibt es nämlich nicht.
Und Vorsicht: Die Daten, die man aus plenty zu einem Buchhaltungssystem oder Datenkonverter übermittelt, sind auch gern mal fehlerbehaftet. Das Kassenbuch ist da so ein Kandidat.
„Preissegment“
Womit wir beim Preis sind. Über was sprechen wir denn genau? Geht es um die (teilweise geheime) Preisliste von plenty (mit mannigfaltigen Zusatzgebühren)? Oder wollen wir eine ehrliche TCO heranziehen? Wobei mir selbst das nicht weit genug gehen würde.
Denn wenn man nur die Kostenseite betrachtet, lässt man einen wichtigen Teil außer Acht. Die Frage ist doch, was eine IT-Lösung machen soll. Vereinfacht ausgedrückt sollte das doch mindestens sein, dass man seine betrieblichen Prozesse effizient und umfassend abwickeln kann – mit der Option mehr Umsatz und/oder Rendite aus den eigenen Geschäftstätigkeiten zu erwirtschaften.
Bei plenty geht es oft genug in die andere Richtung. Nicht nur muss man etliche Leistungen extern zukaufen. Obendrein verhindert plenty teilweise aktiv Möglichkeiten. Da ich hier schon so viel getippt habe, spare ich mir eine lange Liste. Nur mal so als Anreißer:
- UK (kann seit dem Brexit in plenty nicht mehr korrekt behandelt werden)
- USA (plenty beherrscht keine Sales Tax)
- Multishop (nur mit einem Mandanten pro Shop möglich)
- Ist Amazon JP jetzt eigentlich integriert? (Sollte man ja vom weltbesten Amazon-Partner erwarten können.)
- Verkauf ohne ungewollte Überverkäufe (Problem seit Längerem bekannt → keine Lösung in Sicht)
Und da spreche ich noch nicht mal von Bereichen, die plenty gar nicht abdeckt. Anwesenheitsprotokolle, Urlaubs- und Abwesenheitsverwaltung, Reparaturmanagement, Werkstatt, Veranstaltungen, Bewerbermanagement, …
Zum Abschluss bemühe ich mich noch mal um ein hoffentlich kurzes Fazit.
Formal erfüllt plenty eine ganze Reihe an Checkboxen. Manche Dinge laufen auch passabel; anderes fasst man besser nicht an. Bemisst man also den echten Funktionsumfang, wird die Featureliste sehr viel kürzer.
Und genau dafür ist es zu teuer – insbesondere für Bestandskunden. Man muss eigentlich ständig neu investieren, um zumindest den Status Quo aufrecht zu erhalten. Seien es Mitarbeiterschulungen, Datenmigrationen oder Shop-Neubauen. Die beinahe täglichen Aus- und Vorfälle kommen noch dazu.
Geld, Zeit und Nerven, die gerade in kleineren Betrieben schnell fehlen. Die sind aber in Geiselhaft. Ein Wechsel ist ebenfalls mit Aufwand verbunden; verknüpft mit großer Unsicherheit.
Für plenty ist das natürlich super. Das macht die Sachen aber nicht besser. Und es macht plenty auch nicht „am wenigsten scheisse“ – nicht mal gemessen am Preissegment.
Epilog
Im Odoo-Land fließen Milch und Honig und alles ist eitel Sonnenschein? Natürlich nicht! Jede (also wirklich jede) einigermaßen komplexe Software bringt eigene Herausforderungen mit sich. Das brauchen wir nicht schönreden.
Ich muss aber sagen, dass mit Odoo etwas aufkommt, dass ich bei plenty noch nie erlebt habe: Spaß.
Man freut sich einfach, wenn Sachen „just like that“ funktionieren. Oder man wundert sich erst, dass etwas nicht geht, nur um nach einem Blick ins Handbuch festzustellen, dass man in den Einstellungen genau dieses Feature aktivieren kann; und es dann sogar noch besser und weitreichender ist, als man sich vorher gewünscht hätte.
Wie schon mal erwähnt, nutzen wir eine Odoo-Agentur, um verschiedene Fragen unsererseits schneller als mit reiner Brute-Force-Einarbeitung klären zu können. Die haben sich mehr als ein Mal gewundert. Unsere Fragen wurden teilweise nicht verstanden. Hintergrund: Viele Dinge, von denen wir als plenty-Geschädigte angenommen haben, dass sie nicht gehen, sind eine absolute Selbstverständlichkeit.
Die Entwicklung eigener Module ist übrigens sehr (also wirklich SEHR) viel schneller als bei plenty die Plugin-Entwicklung. Lokale Dev-Umgebung einrichten. (Kann anfangs etwas tricky sein. Aber das trifft auch bei plenty zu.) Und dann hat man ein komplettes Odoo laufen und kann jede Code-Änderung in Sekunden überprüfen.
Da auch alle(!) Sourcen zur Verfügung stehen und die Coding-Konventionen relativ stringent durchgezogen werden, kann man sich trotz des schieren Umfangs zügig einarbeiten. Ein Debug-Modus in der UI hilft noch zusätzlich mit verschiedenen technischen Informationen.